Der Bundesrat hält trotz Kritik aus bürgerlichen Kreisen an der an der Lockerung des Adoptionsrechts fest.
In Zukunft sollen nicht nur Ehepaare, sondern auch Konkubinatspaare, also Paare in faktischen Lebensgemeinschaften und gleichgeschlechtlichen Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, Stiefkinder adoptieren dürfen.
Eine entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuchs zuhanden des Parlaments wurde bereits am vergangenen Freitag verabschiedet. Die geänderten Adoptionsregeln sollen dazu beitragen, das Ungleichbehandlungen beseitigt und bestehende faktische Beziehungen zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil rechtlich anerkannt werden.
Durch das geänderte bzw. flexiblere Adoptionsrecht soll den Umständen des Einzelfalls und vor allem dem Kindeswohl besser Rechnung getragen werden. Schematismus soll bei den Adoptionsvoraussetzungen so weit wie möglich vermieden werden.
Außerdem ist das geltende Adoptionsrecht nach Ansicht des Bundesrats nicht mehr zeitgemäß. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat auf die im Jahre 2007 eingeführte eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare und die wachsende Zahl faktischer Lebensgemeinschaften.
Zehntausende Kinder betroffen
Die klassische Familie aus Vater, Mutter und Kind ist für zehntausende Kinder in der Schweiz nicht Lebensrealität. Viele Kinder leben in Patchworkfamilien, alleine mit der Mutter, mit unverheirateten oder homosexuellen Eltern.
In der Schweiz wachsen Schätzungen zufolge in 25.000 Haushalten Stiefkinder in solchen Partnerschaften auf. Darf ein Kind einen Nachteil haben, nur weil sich die Eltern für eine bestimmte Lebensform entschieden haben?
Bislang war diese Realität nicht im Zivilgesetzbuch abgebildet. Kinder, die in in solchen Verhältnissen aufwachsen, sind heute noch benachteiligt. Falls beispielsweise das leibliche Elternteil verstirbt, ist die Beziehung des Kindes zum Partner nicht abgesichert. Die Tatsache, dass sich der Partner seit Jahren wie ein Vater bzw. eine Mutter um das Kind kümmert, spielt dabei keine Rolle.
Das will der Bundesrat nun ändern und schlägt dem Parlament vor, die Stiefkindadoption auch Konkubinatspaaren und Paaren in einer eingetragenen Partnerschaft zu ermöglichen. Der Entwurf zum überarbeiteten Adoptionsrecht sieht vor, dass künftig auch Kinder, die mit der leiblichen Mutter und deren Partner zusammenleben, von diesem adoptiert werden können.
Mit dem neuen Gesetz könnte auch ein Kind, das mit seinem homosexuellen Vater und dessen offizialisiertem Partner zusammenlebt, von Letzterem adoptiert werden. Immerhin gibt es heute in der Schweiz rund 400 homosexuelle Paare mit Kindern.
Der Bundesrat hat im vergangenen Jahr aufgrund verschiedener Aufträge des Parlaments einen Entwurf in die Vernehmlassung geschickt. Er stützt sich bei seinen Vorschlägen auf Vorstöße zum Adoptionsrecht, denen das Parlament bereits zugestimmt hat. Auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällte eine Reihe von Entscheiden, die in dieselbe Richtung weisen.
Der Bundesrat hatte die Öffnung der Stiefkindadoption für faktische Partnerschaften als Variante vorgeschlagen und nun in den Entwurf aufgenommen. Die Vorlage, die am Freitag verabschiedet wurde, beinhaltete in den wesentlichen Punkten diese Vorschläge.
Besonders beharrlich zeigt sich der Bundesrat bei dem Vorhaben, dass der homosexuelle Partner bzw. die homosexuelle Partnerin eines Elternteils dessen Kind adoptieren können soll, wenn sich beide in einer eingetragenen Partnerschaft befinden. Allerdings müssen die Behörden – wie bei allen Adoptionen – auch in diesen Fällen abklären, ob die Adoption dem Kindswohl dient.
Es gibt Bedingungen
Wie bei anderen Adoptionen, müssen auch für die neue Stiefkindadoption Bedingungen erfüllt sein. Das Kriterium der Stabilität wir dabei hoch gewichtet.
So müssen sowohl gleichgeschlechtliche, als auch bei Konkubinatspaare seit mindestens drei Jahren in einer stabilen Beziehung leben und einen gemeinsamen Haushalt führen, bevor sie das Adoptionsgesuch einreichen. Abweichungen von der minimalen Beziehungsdauer sind nicht möglich.
Eheleute müssen nach geltendem Recht vor einer Adoption fünf Jahre verheiratet sein. Auch bei ihnen ist künftig das Führen des gemeinsamen Haushalts und nicht mehr die Dauer der Ehe entscheidend. Das Paar muss demnach nicht mehr mindestens fünf Jahre verheiratet sein, sondern lediglich mindestens drei Jahre im selben Haushalt leben.
Bei anderen Adoptionsvoraussetzungen will der Bundesrat hingegen die Ermessensspielräume erweitern, sofern es dem Kindeswohl dient. So soll das Mindestalter für adoptionsberechtigte Ehepaare von 35 auf 28 Jahre gesenkt werden. Das Mindestalter für Adoptiveltern kann unter Umständen unterschritten werden.
Das Gleiche gilt für den vom Gesetz festgelegten maximalen oder minimalen Altersunterschied zwischen dem Adoptivkind und den Adoptiveltern. Der Bundesrat schreibt dazu, dass damit eine Beurteilung dem Einzelfall noch besser gerecht werden könne. Für eine rechtskräftige Adoption ist die Klärung der Frage, ob diese dem Kindeswohl dient, ebenso wichtig, wie die Zustimmung beider leiblicher Elternteile.
Die Revision enthält weitere Neuerungen, mit denen die Adoption volljähriger Personen erleichtert werden soll. So soll das Kind mehr Mitspracherecht bei der Adoption bekommen. Sofern das Kind urteilsfähig ist, muss es der Adoption ebenfalls zustimmen.
Eine weitere Aufweichung möchte der Bundesrat im Adoptionsgeheimnis vornehmen. So sollen leibliche Eltern, die ihr Kind zur Adoption freigegeben haben bei einer späteren Suche die Personalien in Erfahrung bringen können. Vorausgesetzt, das volljährige oder urteilsfähige Kind ist damit einverstanden.
Kritik wird laut
Das Adoptionsrecht für Regenbogenfamilien und gleichgeschlechtliche Paare stößt in konservativen und kirchlichen Kreisen auf Kritik.
Insbesondere von der SVP und der CVP ist Gegenwehr zu erwarten. Die ersten Reaktionen lassen darauf schließen, dass die Vorlage im Parlament für heftige Diskussionen sorgen wird. Andere Bürgerliche stehen dem Vorschlag, dass ein Kind, das mit seinem homosexuellen Vater und dessen eingetragenem Partner zusammenlebt, von Letzterem adoptiert werden können soll, skeptisch gegenüber.
Die Meinungen sind geteilt. Viele setzten sich für das traditionelle Familienbild ein und finden, dass ein Kind im Idealfall leibliche Eltern haben sollte und eine Elternschaft ein Privileg der heterosexuellen Paare bleiben sollte.
Kritiker der Stiefkindadoption für homosexuelle Paare und für Konkubinatspaare befürchten, dass die traditionelle Familie durch die neuen Adoptionsregelungen an Stellenwert verliert. Gleichgeschlechtliche oder Konkubinatspaare sind nach Ansicht vieler weniger stabil, als die Ehe und deshalb für ein Recht auf Adoption nicht geeignet.
Viele Politiker zeigen zwar ein gewisses Verständnis für das Anliegen homosexueller Paare, Stiefkinder zu adoptieren, befürchten jedoch, dass diese Lockerung nur der erste Schritt ist. Sie fürchten weitere Forderungen, die zur gänzlichen Gleichstellung homosexueller und verheirateter Paare führen könnten.
Trotz all der Kritik aus bürgerlichen Kreisen hält der Bundesrat an der Lockerung der Adoptionsregeln fest: Gleichgeschlechtliche Paare in eingetragener Partnerschaft, sowie Paare in faktischen Lebensgemeinschaften sollen Stiefkinder adoptieren dürfen.
Das Wohl des Kindes, das es ohnehin bei einem gleichgeschlechtlichen Paar aufwachse, werde nach Ansicht der Botschaft nicht dadurch gefährdet, dass es zu seiner rechtlichen Absicherung noch einen weiteren Vater bzw. eine weitere Mutter erhalte. Laut Bundesrat sei es nur konsequent, die grundsätzliche Erlaubnis der Stiefkindadoption, bei allen eheähnlichen Partnerschaften von einer gewissen Stabilität zuzulassen.
Neben den Kritikern, gibt es auch Unterstützer der Vorlage. Sie argumentieren, dass die neuen Adoptionsregeln dem Wohl des Kindes und damit dessen rechtlicher Absicherung dienen. Es sei ein „qualitativer Schritt in die richtige Richtung“. Viele würde auch die Adoption eines fremden Kindes für eingetragene Partnerschaften und Konkubinatspaare öffnen.
Die Vorschläge des Bundesrates werden vor allem auf der linken Seite einstimmig begrüßt. Das Gesetz müsse den „markanten Veränderungsprozess in der Gesellschaft“ berücksichtigen. Einige Politiker fordern, dass alle Paare eine gemeinsame Adoption beantragen können sollten.
Allerdings müssten die Regeln auch einem allfälligen Referendum standhalten können. Bereits am 10. Dezember wird es einen Stimmungstest zu der Frage geben, wie traditionell eine „Familie“sein soll.
Bei der Stiefkindadoption soll es jedoch bleiben. Weiterhin nicht erlauben will der Bundesrat, dass Unverheiratete ein anderes Kind, als jenes des Partners oder der Partnerin, adoptieren. Gegen eine so weitgehende Lockerung bestünden in „gewissen Teilen der Bevölkerung erhebliche Vorbehalte“, verweist der Bundesrat in der Botschaft.
Eine Person, die weder verheiratet ist noch in eingetragener Partnerschaft lebt, kann aber weiterhin alleine ein Kind adoptieren. Die Einzeladoption steht – aber nur unter eingeschränkten Bedingungen – auch Ehegatten und Personen in eingetragener Partnerschaft offen.
Quelle: Tagesanzeiger